Das Schiff der guten Hoffnung 2015, Mittelmeer

Jeden Tag brechen an der libyschen Küste Hunderte Flüchtlinge auf, um in Schlauchbooten nach Europa zu gelangen. Es ist die gefährlichste Route der Welt. Jedes Jahr ertrinken über 2.000 Menschen. Für Schleuser ist dies ein einträgliches Geschäft. Ein Flüchtling zahlt zwischen 1.300 und 4.500 US-Dollar für die lebensgefährliche Überfahrt.

In den Schlagzeilen sind immer wieder die Boote von NGOs zu sehen, die den Schiffbrüchigen zu Hilfe eilen. Doch auch die deutsche Bundesmarine ist im Mittelmeer im Einsatz.

 

Kollege Axel Lier und ich waren zehn Tage an Bord des 174 Meter langen und 14 500 PS starken Einsatzgruppenversorgers „Berlin“ vor der libyschen Küste unterwegs.

Der eigentliche Auftrag der „Berlin“ ist die Aufklärung von Schleuserrouten und die Festnahme von Schleusern.

Auf der Tagesordnung stand jedoch: Leben retten.

Wir betraten eine eigene Welt mit eigenen Regeln und Ritualen. Für Außenstehende ist das schwer zu begreifen. Wer darf wo sitzen? Warum haben Freiwachen Vorrang beim Essen? Was ist eine Freibierglocke?

 

Um 11:45 Uhr ertönt die Meldung: „Schwarzes Schlauchboot gesichtet“. Der Kommandant sagt zu uns: „Was ihr jetzt sehen werdet, ist das reine Elend.“

Auf dem dünnen Holzboden kauern 110 durchnässte Afrikaner. Darunter sind sechs hochschwangere Frauen und ein Kind. Zwischen ihnen liegen Müll, Fäkalien und elf 20-Liter-Kanister mit Benzin. Sie haben Glück. Sie haben überlebt.

An Bord des EGV "Berlin" gibt es eine „Rescue Zone“. Dort erhalten sie Decken, warmen Tee, Reis mit Fleisch, Badelatschen und einen Blaumann in XL. Die Geretteten werden medizinisch untersucht und registriert.

Um 14:57 Uhr wird das nächste Boot gesichtet.

Die „Berlin“ hat im Jahr 2015 insgesamt 872 Menschen, die in Seenot geraten waren, das Leben gerettet.